Hermann Geiseler
In der „Traumstadt“ Schwabing lebt man bekanntlich anders als in der „Wirklichkeit“. So kann es geschehen, dass ein Maler, der lang schon nicht mehr ist, seinerzeit ein Bild gemalt hat, das zwar auch nicht mehr da ist, aber noch immer die Ikone der künstlerischen Gegenwelt darstellt: „Traumstadt – Schwabing bei Nacht“ (1962).
Damit nicht genug, hat dieser Maler damals, 1948, nicht nur den langlebigen „Seerosenkreis“ mitbegründet, sondern auch den von Künstlern an Künstler verliehenen „Seerosenpreis“ ins Leben gerufen, und somit ist er, trotz körperlicher Abwesenheit, noch heute inmitten dankbarer „Traumstadt“-Narren zu finden. Die Rede ist von Hermann Geiseier (1903-1978) aus Hamburg, der mit 22 Jahren nach München kam, an der Kunstakademie studierte und zum Meisterschüler von Professor Schinnerer aufstieg. Die besten Aussichten eröffneten der Dürer-Preis (1930) und ein amerikanisches Stipendium. Seit 1928 Mitglied der Neuen Sezession, stellte er mit dieser Gruppe 1931 im Glaspalast aus und verlor bei dem Brand des Gebäudes wie seine Kollegen seine dort gezeigten Werke. Die zweite Zerstörung dieser künstlerischen Existenz besorgte dann der Zweite Weltkrieg. „Nach unvergesslichen Erlebnissen befragt“, so sein Freund Anton Sailer 1967, habe Hermann Geiseier berichtet, „dass er während eines Kriegsurlaubs sein Atelier zerstört fand, alle seine Bilder jedoch gerettet wurden – er selber aber kein einziges davon wiederbekam. Und vor einigen Jahren war ein Bild von ihm bei einem Tandler auf der Auer Dult, das er sofort kaufen wollte, aber leider ist es für ihn zu teuer gewesen.
Beide Schicksalsschläge trägt er mit jener heiteren Würde, die sein Wesen bestimmt und ihn auch zu einem Lordsiegelbewahrer Schwabings prädestiniert.“ Als das Lenbachhaus 1961 Franz Marcs Gemälde „Akt mit Katze“ für 125.000 Mark ankaufte, ergriff Hermann Geiseler die Initiative und regte beim damaligen OB Dr. Hans-Jochen Vogel den „Seerosenpreis“ zur Förderung zeitgenössischer Künstler an – Dr. Vogel setzte sich dafür ein, und als 1963 die sechs Preisträger mit jeweils 5.000 Mark dotiert wurden, war auch Hermann Geiseler dabei. Zum Dank organisierte er für den OB danach 12 Jahre lang die legendären „Nikolausabende“ in der „Seerose“. Der Schwabinger Kunstpreis 1974 war dann beinahe überfällig. Auch als Reproduktion bleibt Geiselers „Traumstadt“-Bild eine anschauliche Phantasie: „Ein Plätzchen fast so wie die Place du Tertre, Gaslaternen, Eule, das beleuchtete Fenster eines Ateliers in einem schiefen Haus, das den Ehrentitel ,Zu den sanften Irren‘ trägt.“ (RolfFlügel)
Zuletzt wurde das Bild anlässlich des vom Tukan-Kreis ausgerichteten 100. Geburtstags von Peter Paul Althaus 1992 in der Seidlvilla gesehen. Seitdem ist es verschollen.
von Dirk Heißerer