Ausstellungseröffnung GALERIE Kautsch, Michelstadt, 14.Oktober 2017 …..Da sind zunächst einmal die Raumarbeiten von Sabine Straub, filigrane Draht- /Stahlplastiken, die jedoch über eine solide Tektonik verfügen, jeweils einen Raum im Raum der Galerie nicht nur besetzen sondern sich einen eigenen Raum schaffen. Wie aus kraftvollen Strichen in einer Zeichnung zusammengesetzt wirken die Plastiken, bis man merkt, dass hier mit Metall gezeichnet wurde, und zwar ohne abzusetzen, denn die Arbeiten entstehen aus einem einzigen, endlosen Draht. Die für diese Arbeiten gewählte Bezeichnung „Morphing“ hilft weiter, denn hier entwickeln sich tatsächlich Formen, wird Bewegung wie in einem in der Zeit eingefrorenen Still wiedergegeben, die der Betrachter nachvollziehen kann.
Was als ein spielerischer Ansatz beginnt, fußt dennoch auf einem klaren geometrischen Formenkanon, bezieht sich immer auf eine konkret-geometrische Formenwelt, die in den Raum erweitert und dort fortgeschrieben wird. Allerdings entwickeln sich die Formen eher analog zu einem organischen als zu einem streng mathematischen System – die Künstlerin lässt Abweichungen und dynamische Prozesse, Unabwägbares zu, das eine Entwicklung letztlich erst ermöglicht. Manchmal scheinen die Arbeiten gar einen kleinen Hang zur Entgleisung oder zur Auflösung aufzuweisen. Das Künstlerduo Fischli & Weiss hat einmal den Satz geprägt: „Am schönsten ist das Gleichgewicht, kurz bevor´s zusammenbricht“.
1897 veröffentlicht der Fotograf Eadweard Muybridge sein Buch „Animal Locomotion“ in dem er u.a. ein Pferd in vielen Aufnahmen in Bewegung zeigt, eine Bewegungsstudie, die bahnbrechend war und auch von zahlreichen Künstlern genutzt wurde. Die kinetische Kunst nutzt ebenso Bewegungsabläufe, die sie jedoch in tatsächliche Bewegung umsetzt. Sabine Straub formuliert das Wesen der Bewegung auf ähnliche Art und Weise, allerdings handelt es sich bei ihr um eine Fortschreibung, eine Entwicklung der Bewegung, die sodann statisch wird und nicht um wiederholte Bewegungsabläufe, eher wie bei der berühmten Nachtaufnahme von Picasso, in der er mit einer Taschenlampe zeichnet.
Abfolgen, Sequenzen und Rhythmisierungen in verschiedensten Formulierungen, von der Wandarbeit zu Plastiken oder Raumarbeiten, die im Raum schweben wie z.B. im Museum Ritter, bilden ein vielfältiges und beeindruckend vielfältiges und vielschichtiges Werk, das sich beständig weiter entwickelt, oft in neue, überraschende Richtungen. Die verschiedenen zur Verwendung gelangten Materialien von Draht über Stahl, Karton und Holz hin zu Spiegeln zeugen sowohl von der Lust des Experimentierens und des Auslotens von Materialien auf ihre Möglichkeiten hin als auch von einer bildnerischen Sprachkraft, die die gesamte Klaviatur von Material und Form beherrscht. Die Konsequenz, mit der Sabine Straub zu Werk geht, lässt auf diese Art und Weise überzeugende Arbeiten entstehen, die Material und Raum bedenken und beides in eine Form gießen, die Bestand hat. Ihr Werk hat diese durchaus seltene Qualität, unvoreingenommen und voller Neugier mit Raum und Material zu arbeiten, Neues zu erproben und dabei doch immer erkennbar bei sich zu bleiben.
Dr. Martin Stather ; Kunstverein Mannheim, 2017 anlässlich der Ausstellung Sabine Straub/Lars Strandh in der Galerie Veronica Kautsch Michelstadt
VITA
1963 Köln, lebt seit 1991 in München
AUSBILDUNG
1984 – 88 Hochschule für Angewandte Kunst, Wien
1987 St. John Cass, faculty of arts, London
1988 – 91 Hochschule für Gestaltung, Pforzheim